Schluss mit Bauchgefühl und Unconscious Bias: So gelingt objektives Recruiting in der Praxis
- annakieselbach
- 21. Mai
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Mai
Unbewusste Vorurteile im Recruiting: Warum objektive Auswahlprozesse heute unerlässlich sind
Ob jung oder alt, mit oder ohne Migrationsgeschichte, mit Behinderung oder ohne: Die Chancen auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch sind ungleich verteilt und das nicht aufgrund mangelnder Qualifikation. Eine Meta-Analyse zeigt: Bewerber:innen mit Migrationshintergrund, einer Behinderung oder höherem Alter erhalten mindestens 31 % seltener eine positive Rückmeldung auf ihre Bewerbung (1).
Der Grund? Unconscious Bias – unbewusste Vorurteile, die selbst erfahrene HR-Professionals beeinflussen können. Objektives Recruiting wird so zur zentralen Stellschraube für mehr Fairness, Vielfalt und Qualität in der Personalauswahl.
Was ist „Unconscious Bias“ und warum ist objektives Recruiting so wichtig?
Unconscious Bias beschreibt Denk- und Wahrnehmungsmuster, die unterbewusst Entscheidungen beeinflussen. Sie entstehen aus Erfahrungen, sozialen Prägungen und gesellschaftlichen Stereotypen. Im Recruiting können sie dazu führen, dass Bewerber:innen benachteiligt oder bevorzugt werden – ohne dass dies bewusst geschieht.
Folgende fünf Bias treten sehr häufig im Recruiting auf:
Primacy Effect: Darunter versteht man die Tendenz, erste Informationen stärker zu gewichten als später erhaltene Informationen. Die Aussage “Der erste Eindruck zählt” ist also zutreffend.
Affinity Bias: Dahinter steckt die Tendenz, Menschen zu bevorzugen, die uns ähnlich sind. Sei es in Bezug auf Interessen, Hintergrund oder Persönlichkeit.
Halo & Horns Effect: Eine positive oder eine negative Eigenschaft verstärken den Gesamteindruck einer Person. Wir setzen der Person also unbewusst einen Heiligenschein oder Teufelshörner auf.
Stereotype Bias: Wir bewerten Menschen aufgrund von verallgemeinerten und oft falschen Annahmen über ihre Gruppe oder Herkunft.
Contrast Effect: Talente werden im Vergleich zu anderen besser oder schlechter wahrgenommen, je nachdem wie stark die Unterschiede sind.


Cultural Fit schön und gut, aber kennst du schon Cultural Add?
Im Affinity Bias angesiedelt ist der sogenannte „Mini-Me-Effekt“. Menschen tendieren dazu, Kandidat*innen zu bevorzugen, die ihnen ähnlich sind – in Herkunft, Werten oder Auftreten. Das wird oft unter dem Schlagwort „Cultural Fit“ zusammengefasst.
Doch wer nur nach Ähnlichkeit sucht, baut homogene Teams und verschenkt die Chance auf neue Perspektiven. Der Fokus sollte deshalb auf dem „Cultural Add“ liegen: Was bringt jemand mit, das unser Team bereichert?
An dieser Stelle möchten wir dir einen Lesetipp von unserem Partner “Neue Narrative” an die Hand geben. “So gelingt menschenzentriertes Recruiting” beleuchtet weitere spannende Aspekte dieses zukunftsträchtigen Ansatzes.
“4 Layers of Diversity” - Wo Vorurteile entstehen
Voreingenommenheit und unbewusste Vorurteile richten sich auf die Unterschiede zwischen Menschen. Häufig werden Personalentscheidungen auf der Basis dieser Merkmale unbewusst getroffen.
Das Modell “4 Layers of Diversity” nach Gardenswartz und Rowe (3) dient zum besseren Verständnis von Vielfalt in Organisationen und hilft uns die verschiedenen Ebenen der menschlichen Vielfalt aufzuzeigen.
Die vier Schichten sind:
Persönlichkeit
Zur Hälfte genetisch bedingt, zur Hälfte sozial geprägt durch Umwelt. Dieser Kern beeinflusst, wie wir die Welt sehen und mit ihr interagieren.
Interne Dimensionen
Diese Schicht umfasst angeborene oder weitgehend unveränderliche Merkmale, wie Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, körperliche Fähigkeiten und psychische Gesundheit. Diese Merkmale sind oft die sichtbarsten und können starke Auswirkungen auf die persönliche und soziale Identität haben. Sie sind häufig Grundlage für unbewusste Vorurteile und Diskriminierung.
Äußere Dimensionen
Diese Dimension bezieht sich auf Merkmale, die oft veränderbar sind und durch persönliche Lebensentscheidungen geprägt werden. Dazu gehören der Bildungsgrad, Einkommen, Familienstand, Religion, geografischer Standort, Berufserfahrung und andere Faktoren, die die soziale und berufliche Identität eines Menschen beeinflussen. Sie spielen oft eine Rolle in der Karriereentwicklung und wie wir im beruflichen Kontext wahrgenommen werden.
Organisationale Dimensionen
Die äußere Schicht besteht aus Merkmalen, die mit der Zugehörigkeit zu einer Organisation verbunden sind, wie z. B. Rolle im Unternehmen, Abteilung, Dienstalter, Hierarchieebene, Arbeitsstandort oder Funktion. Diese Dimensionen beeinflussen oft den Status, den Einfluss und die Chancen einer Person innerhalb einer Organisation und prägen die beruflichen Beziehungen und Perspektiven.

Unser Beitrag: Das Anforderungsprofil als zentrales Tool für objektives Recruiting
Mit dem Anforderungsprofil von flowplace unterstützen wir Recruiter:innen dabei, objektive, nachvollziehbare Kriterien zu definieren – gemeinsam im Team und basierend auf dem tatsächlichen Job.
Das bringt gleich mehrere Vorteile:
Mehr Perspektiven fließen bereits in die Definition der Anforderungen ein.
Langwierige Abstimmungsprozesse werden durch die kollaborative Erstellung des Anforderungsprofils verkürzt.
Das Profil dient als Basis für interne und externe Ausschreibungen.
Wertschätzendes Hiring ist durch klare Anforderungen und maximale Transparenz möglich.
Im anschließenden Role Matching wird automatisch geprüft, welche Talentprofile fachlich und hinsichtlich der Persönlichkeit passen.
4 Gründe, warum sich Diversity richtig lohnt
Innovation und Kreativität
Eine Studie der Harvard Business Review (2012) fand heraus, dass divers zusammengesetzte Teams kreativer sind und besser Probleme lösen können. Ein höheres Maß an kognitiver Vielfalt verbessert die Fähigkeit von Teams, komplexe Probleme zu analysieren und kreative Lösungen zu finden. (4)
Bindung
Eine Untersuchung von Deloitte (2018) zeigt, dass Mitarbeitende in Unternehmen mit einer inklusiven Kultur zufriedener sind und eine stärkere Bindung zur Organisation haben. (5)
Attraktivität
Laut einer Umfrage von Glassdoor (2020) bewerten 76 % der Arbeitnehmer Diversität als wichtigen Faktor bei der Auswahl eines Arbeitgebers. (6)
Finanzieller Erfolg
Die McKinsey-Studien „Diversity Wins: How Inclusion Matters“ (2020) und „Delivering through Diversity“ (2018) haben gezeigt, dass Unternehmen mit ethnischer und geschlechtlicher Vielfalt in Führungsteams eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittliche finanzielle Erfolge zu erzielen. Unternehmen im obersten Quartil für ethnische Vielfalt haben eine um 36 % höhere Wahrscheinlichkeit für eine überdurchschnittliche Rentabilität. (7)
Fazit: Objektivität ist kein Zufall – sondern ein Prozess
Fakt ist: Unconscious Bias lässt sich nicht komplett vermeiden, aber seine Auswirkungen und die damit einhergehende Diskriminierung lassen sich gezielt minimieren.
Minimiert werden dadurch außerdem:
👉 Fehleinstellungen
👉 übersehene, passende Kandidat*innen
👉 hohe Fluktuationsraten (Organisationen die Diversität fördern haben eine 22 % niedrigere Fluktuationsrate.)
👉 dementsprechend hohe Personal- und Recruitingkosten
👉 niedrige Performance und Produktivität
👉 Imageschäden
Hast du auch den ein oder anderen Bias bei dir wahrgenommen?
Noch tiefer ins Theman einsteigen kannst du mit unserem Webinar “Recruiting ohne Bias”. Zur kostenfreien Aufzeichnung kommst du über das Banner. 👇
Quellen:
(1) Louis Lippens / Siel Vermeiren / Stijn Baert) The state of hiring discrimination: A meta-analysis of (almost) all recent correspondence experiments (2023) https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0014292122001957
(2) How quickly do interviewers reach decisions? (2015) https://www.researchgate.net/publication/274838979_How_quickly_do_interviewers_reach_decisions_An_examination_of_interviewers'_decision-making_time_across_applicants
(3) Modell der “4 Layers of Diversity” nach Gardenswartz und Rowe (Gardenswartz, L. und Rowe, A.: Diverse Teams at Work; Society of Human Resource Management, 2002)
(4) Harvard Business Review (2012) "Want a Team to be Creative? Make it Diverse” https://hbr.org/2012/05/want-a-team-to-be-creative-mak
(5) Deloitte (2018) Deloitte Insights – "Diversity and inclusion at the workplace" https://www2.deloitte.com/content/dam/insights/us/articles/4209_Diversity-and-inclusion-revolution/DI_Diversity-and-inclusion-revolution.pdf
(6) Glassdoor Diversity & Inclusion Workplace Survey (2020) https://www.glassdoor.com/blog/glassdoors-diversity-and-inclusion-workplace-survey/
(7) McKinsey & Company (2020) “Zusammenhang zwischen Diversität und Geschäftserfolg so deutlich wie nie” https://www.mckinsey.de/news/presse/2020-05-19-diversity-wins
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